Dauergrinser – Über nichtssagende Werbebilder

Bestimmte Typen von Werbung setzen ganz auf das Zeigen glücklicher Menschen. Das kann tierisch nerven, aber auch wirken …

Unsere Familie hat sich vergrößert. Langsam wird die derzeitige Mietswohnung zu klein. Außerdem ist die Wohnung eigentlich viel zu teuer. Unsere Vermieterin ist zwar außergewöhnlich nett, aber auch wiederum nicht so nett, dass wir ihr auf Dauer jeden Monat so viel Geld überweisen wollen. Also reift der Entschluss, die Miete lieber in die Rückzahlung eines Darlehens zu investieren und uns nach einer eigenen Immobilie umzusehen. Ein Häuschen mit Garten, das wäre schon was Feines.

Die nächsten Wochen wälzen wir dicke Ratgeber und besichtigen erste Objekte. Wir suchen ein älteres Haus mit Charme, nur leider sind diese Häuser schon alle bewohnt. Langsam wird uns klar: Diese Sache kann länger dauern. Aber wir wollen vorbereitet sein. Wir müssen einerseits unsere längerfristig angelegten Ersparnisse umschichten, sodass wir bei Bedarf kurzfristig an das Geld herankommen, außerdem werden wir einen Kredit brauchen. Da mir im Hinblick auf Banken wenig Erfreuliches schwant, möchte ich im ersten Schritt schon einmal die Spreu vom Weizen trennen und die Banken herausfiltern, bei denen sich ein genaueres Gespräch überhaupt lohnt. Also sammeln wir Informationsmaterial. Oder sollte ich sagen: Desinformationsmaterial? Als Technischer Redakteur bin ich es gewohnt, die wesentlichen Fakten eines Themas knapp und übersichtlich auf den Punkt zu bringen. Was ich in den Bankprospekten lese, sieht anders aus.

Erst einmal sind die meisten Seiten der Prospekte halb leer. Ein Grafiker würde sagen, hier wurde viel »Weißraum« verwendet. Handfeste Informationen oder womöglich sogar Zahlen und konkrete Zinssätze suche ich vergeblich. Sind die Zinsen womöglich so hoch, dass man sich nicht traut, sie hier zu nennen, frage ich mich. »Die Zinssätze ändern sich zu häufig und sind außerdem individuell«, würden die Verantwortlichen vermutlich sagen. Dann könnte man aber doch zumindest ein Beiblatt mit den aktuellen Basiskonditionen beilegen, denke ich mir. Aber offenbar hat man davor Angst und möchte die Kunden erst einmal persönlich weichklopfen, sitzen sie erst einmal am Tisch des Verkäufers – Entschuldigung, des »Beraters«.

Das neben dem Weißraum vorherrschende Element in den Prospekten sind – nein, keine Informationen, wo denke ich hin. Das soll mir doch alles der nette Berater erklären. Das vorherrschende Element neben dem Weißraum sind Bilder. Bilder glücklicher Menschen: verliebte Paare, junge Familien, aalglatte Schleimlinge mit ledernen Aktenköfferchen. Völlig nichtssagend sind die Bilder und helfen mir nicht die Spur weiter. Mein Deutschlehrer hätte früher gesagt: glatte Themaverfehlung. Setzen sechs.

Die Bilder sind fast alle nach demselben Schema aufgebaut: Die Frauen umarmen Ihre Männer meist von hinten, oder die Frauen stehen leicht zurückversetzt. Sagen wir es positiv: Die Bilder vermitteln das klassische Familienbild. Die treu sorgende Ehefrau an der Seite eines starken Mannes. Die Damen sind fast immer sehr sommerlich bekleidet – obwohl in unseren Breiten doch eigentlich der Winter viel länger dauert. Nackte Haut wirkt. Sex sells. Noch etwas weiter zurückversetzt oder auf der Seite kommen dann die Kinder. Nie mehr als zwei, oft nur eines, damit das Bild nicht zu voll wird. Sie wissen schon: wegen dem Weißraum. Außerdem: Großfamilien passen nicht ins schicke Bild.

Andere Branchen machen es übrigens ganz ähnlich. Achten Sie zum Beispiel einmal in den Werbeprospekten von Discountern auf die Bilder, wenn einmal wieder Stützbandagen, Heizdecken, Gebissreiniger oder andere Produkte für ein eher »reiferes« Publikum feilgeboten werden. Da lächeln Ihnen dann lauter vermeintlich glückliche und vitale Paare entgegen, zwar jenseits der Vierzig und stets mit deutlich grau melierten Haaren, aber niemals mit Haarausfall oder anderen unliebsamen Erscheinungen. Außerdem eigentlich viel zu jung für die beworbenen Produkte. Aber eben so, wie sich die Zielgruppe selbst gerne fühlen möchte. Auch hier steht fast immer der Mann leicht im Vordergrund, die Frau leicht zurückversetzt angelehnt an seiner starken Schulter. Tja, da ist die Welt noch in Ordnung!

Auch die Leute in meinen blöden Bank-Prospekten sind nur zu beneiden. Offenbar haben die, anders als wir, das richtige Häuschen und die richtige Bank längt gefunden. Die Typen sehen halt auch besser aus als ich. Gestylte Haare, strahlend weiße Zähne, jung, dynamisch, faltenfrei, entspannt. Am liebsten würde ich denen jetzt in ihre dummen Fressen schlagen. Stattdessen nehme ich den Papierstapel und pfeffere ihn gesammelt in den Papierkorb. Eigentlich wollte ich die Spreu vom Weizen trennen. Jetzt habe ich nur noch Spreu.

Nachtrag: Irgendwann musste dann freilich doch eine Lösung her. Unser Erspartes parkten wir als Tagesgeld bei verschiedenen Direktbanken. Für den Hauskredit fanden wir über eine Vermittlerfirma im Internet eine Bank am anderen Ende der Republik. Der Zinssatz war um so vieles niedriger als der günstigste Zinssatz der Banken bei uns vor Ort, sodass wir dadurch in Summe über die Jahre mehrere Tausend Euro sparten. Den Dauergrinsern aus den Prospekten sei Dank!

Nachtrag 2: Jetzt bin ich Ihnen aus Fairness gegenüber den Banken und Versicherungen noch eine Erklärung dafür schuldig, warum gerade hier so gerne mit Personenfotos gearbeitet wird. Erstens bieten Banken und Versicherungen immaterielle Dienstleistungen an und keine materiellen Güter, die sich irgendwie im Bild zeigen ließen. Zweitens gibt es da so schlaue Wissenschaftler, die festgestellt haben, dass wir, wenn wir Gesichter sehen, uns später besser an die beworbenen Dinge erinnern. Gesichter stimulieren nämlich ganz bestimmte Areale in unserem Gehirn. Dabei will ich mich an den Schmarrn doch gar nicht erinnern!

 

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