Preisrätsel – Über den richtigen Verkaufspreis

Einen Verkaufspreis optimal festzulegen und zu präsentieren, ist eine besondere Kunst. Dabei wirken auf uns gleich mehrere psychologische Effekte …

In unserem Keller wird es zunehmend unordentlich. Als Ursache für das Chaos habe ich, neben dem mangelnden Ordnungssinn bestimmter Familienmitglieder (O. K., mich eingeschlossen), diverse Dinge identifiziert, die wir wohl niemals mehr brauchen werden. Wenn ich diese Sachen verkaufe, könnte das ein paar Hundert Euro einbringen. Warum im Keller vergammeln lassen? Es gibt genug Marktplätze im Internet, wo ich kostenlos inserieren kann.

Aber wie viel verlange ich am besten für die guten Stücke, sodass sie einerseits schnell weggehen (mir der Verkauf also wenig Arbeit macht), andererseits ich aber auch einen guten Preis erziele? Wie Hersteller und Handel ihre Preise festlegen, hat mich schon immer interessiert, also mache ich mich auf die Suche nach ein paar Tipps und Informationen. Eigentlich will ich nur wissen, ob es bestimmte psychologische Preisschwellen gibt, unterhalb derer die Preise bleiben sollten, aber was ich finde, ist dann doch etwas vielschichtiger.

Die Beurteilung, ob Menschen einen Preis als angemessen empfinden, ist eine sehr subjektive, umgebungs- und situationsabhängige Entscheidung. Die meisten Menschen sind zum Beispiel bereit, an einer Hotelbar mehr für eine Cola zu bezahlen als an einem Kiosk. Oder sie zahlen den doppelten Preis für eine Soße, wenn da statt schlicht »Soße« das schöne Wort »Gourmet-Soße« oder »Delikatess-Soße« draufsteht. Ha! Das kann ich auch! Das Kinderbett werde ich als »Naturholzbett« anbieten, den ollen Kühlschrank als »Design-Kühlschrank« und die alten Schlittschuhe als »Sport-Schlittschuhe«.

Übrigens machen sich auch viele Handelsketten das Prinzip zunutze, dass wir einen Preis in Relation zum Umfeld bewerten. Anders als ich bisher immer naiv glaubte, sind deren Preise nämlich oft von Filiale zu Filiale unterschiedlich. Je nach Gegend und Wettbewerbern vor Ort. Wenn Sie sich also einmal mit Bekannten oder Kollegen streiten, ob ein bestimmter Laden nun denn teuer oder billig ist, kann es durchaus sein, sie haben beide recht.

Großen Einfluss auf die Kaufentscheidung hat außerdem die Präsentation des Preises. 99 Euro wirken ganz anders als 99 Euro, wenn daneben ein angeblicher vorheriger Preis von zum Beispiel 199 Euro steht. Dann setzt unser Gehirn die 99 Euro in Relation zu diesen 199 Euro. Schon erscheint der Preis günstig – selbst wenn wir wissen, dass wir hier manipuliert werden. Ein roter Preis wirkt anders als ein schwarzer Preis, ein fett gedruckter Preis anders als ein dünn gedruckter Preis. Manche Händler schreiben auch noch plump »Sonderpreis« oder »Hauspreis« daneben. Der kann freilich auch besonders hoch sein. Die Farbe kann ich in meinen aufzugebenden Anzeigen leider nicht beeinflussen, aber ich könnte die Neupreise dazuschreiben. Halt! Ich habe eine noch bessere Idee. Ich schreibe einfach nicht »Neupreis« dazu, sondern »Neupreis ca.«. Dann kann ich noch ein wenig »aufrunden«.

Entscheidend beim Preis ist das, was vor dem Komma steht. Für unser Unterbewusstsein ist es egal, ob ein Preis 1 Euro beträgt, oder 1,09 Euro oder 1,29 Euro. 0,99 Euro aber würde in unserem Gehirn in der nächstbilligeren Schublade landen. Klar, dass diese Preise so beliebt sind. Um Cents werde ich bei meinen Kellersachen zwar nicht feilschen, aber ob ich bei einem Artikel eine 10er- oder 100er-Schwelle überschreite, sollte ich mir schon gut überlegen.

Manchmal werden bewusst »krumme« Preise eingesetzt, um eine besonders scharfe Kalkulation zu suggerieren. Bewusst »glatte« Preise dienen manchmal dazu, bestimmte Produkte besonders hochwertig erscheinen zu lassen, nach dem Motto »der Preis ist kein Thema«.

Sogar die Schreibweise hat einen Einfluss: 10,00 Euro wirkt wegen der vielen Nullen ziemlich hoch. 1000 Euro ist da schon besser. Einige Geschäfte schreiben daher ihre Preise generell mit hochgestellten Ziffern für die Cent-Beträge auf die Etiketten und an die Regale. Oder Sie wählen für die Cent-Beträge eine schmalere oder kleinere Schrift.

Mehrere Einzelrabatte wirken in der Regel höher als ein Gesamtrabatt: 5% Grundrabatt plus 2% Sonderrabatt plus 3% Treuebonus wirken ganz anders als einfach nur 10% Rabatt. Nicht durch Zufall machen dies viele Händler so.

Bei niedrigpreisigen Produkten wirken absolute Preisnachlässe eher mickrig. Daher arbeitet man hier lieber mit prozentualen Nachlässen.

Bei Markenprodukten wirken Preisnachlässe besonders gut. Bei Hausmarken findet man sie dagegen so gut wie nie. Das würde den (naiven) Eindruck zerstören, dass an den Hausmarken ohnehin so gut wie nichts verdient wird.

Wenn ein Preis in eine Grundgebühr und in ein verbrauchsabhängiges Nutzungsentgelt aufgeteilt wird, haben wir bei Preisvergleichen oft nur noch das Nutzungsentgelt im Kopf.

Und zum Schluss meiner Recherchen lese ich noch etwas darüber, dass der Preis sogar die Qualitätswahrnehmung beeinflusst und sich damit sogar gewissermaßen selbst rechtfertigen kann. Beispiel: Niemand kann selbst die Güte und Wirksamkeit von Kosmetika beurteilen. Ersatzweise orientieren wir uns am Preis. Der Trugschluss ist nur: Zwar ist es so, dass Qualität nicht unter einem bestimmten Preis zu haben ist. Andererseits gilt aber keineswegs automatisch der Umkehrschluss, dass alles was teuer ist, auch gut sein muss.

Mir schwirrt der Kopf. Zukünftig werde ich Preise mit anderen Augen sehen.

Nachtrag: Heute finde ich in der Werbebeilage einer großen Verbrauchermarktkette folgendes Angebot: »Werkzeugmaschinen-Set, 4-teilig, 69,95 Euro statt 180,02 Euro«. Ihr wollt mir wirklich weismachen, dass 180,02 Euro euer alter Preis war? Der dümmste Preis, den man jemals überhaupt wählen könnte? Wie bescheuert ist das denn!

 

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