Rolltreppe aufwärts – Über Umwege in Möbel- und Kaufhäusern

Möbelgeschäfte und Kaufhäuser schicken uns gerne auf lange Irrwege und Umwege. Wir sollen dabei auf dumme Gedanken kommen und am Ende mehr kaufen …

Mein Sohn braucht plötzlich unbedingt eine neue Zimmerlampe. Jahrelang hat niemand auch nur einmal diese Lampe beachtet. Ich bin mir sicher: Wenn ich meinen Sohn noch vor einer Woche gefragt hätte, wie die Lampe in seinem Zimmer aussieht, er hätte mir das nicht sagen können. Aber seitdem meine Frau in einem Nebensatz erwähnte, dass die Lampe inzwischen etwas zu kindlich sei, ist es mit dem Status quo vorbei. Jetzt muss eine neue Lampe her, und zwar schnell. Widerstand zwecklos. Zwei Gegnern bin ich unterlegen. Und sie haben auch recht.

Also stehen wir jetzt in einem großen Möbel-Mitnahmemarkt. Um zur Lampenabteilung zu gelangen, müssen wir zuerst in Schlangenlinien an den Wohnzimmern, den Polstermöbeln, den Betten, an Kleinmöbeln, Büromöbeln, Küchen, Kinderzimmern, Küchengeschirr, Teppichen, Gardinen, Bettwäsche und Badezimmer-Einrichtungen vorbei. Ich würde gerne abkürzen. Ist aber nicht. Nach gefühlten zehn Kilometern erreichen wir endlich die Lampen-Abteilung. Die Auswahl ist bescheiden – nein, formulieren wir es positiv: Sie ist übersichtlich. Gerade das erweist sich als Vorteil. Mein Sohn findet schnell eine Lampe, die seinen Ansprüchen an moderne Jugendzimmer-Ästhetik genügt. Also gut. Ich sage jetzt ohnehin zu allem Ja und Amen. Hauptsache schnell wieder raus hier.

Wir machen uns auf in Richtung Kasse. »Eine neue Schreibtischauflage sollte er auch haben«, meint da plötzlich meine Frau. »Kannst du noch mal kurz zurückgehen? Bei den Büromöbeln gab es so schwarze Auflagen für 4,95. Die findest du schon. Wir gehen inzwischen schon mal weiter.« Was hatte sie gesagt? »Kurz zurückgehen?« War das ein Witz? Mit mir kann man’s ja machen … Aber 4,95 sind billig. Warum soll ich da jetzt das Diskutieren anfangen und wir geben am Ende woanders mehr aus. Also willige ich ein: »Ja, kann aber einen Moment dauern.« Ich mache mich auf den Rückweg, bahne mir einen Weg durch die mir entgegenströmende Menschenmenge. Lampen, Badezimmer-Einrichtungen, Bettwäsche, Gardinen, Teppiche, Küchengeschirr, Kinderzimmer, Küchen, Büromöbel. All das sehe ich jetzt zum zweiten Mal. Endlich komme ich ans Ziel. Da ist ja schon die Auflage. Jetzt das Ganze wieder retour: Küchen, Kinderzimmer, Küchengeschirr, Teppiche, Gardinen, Bettwäsche, Badezimmer-Einrichtungen … Immer im Zickzack. Mann, was komme ich mir verarscht vor. Die wenigen gut hinter irgendwelchen Zwischenwänden versteckten Abkürzungen habe ich übersehen. Schon wieder steht so ein sperriger Einkaufswagen mitten im Weg. Darauf ein sabberndes Kleinkind. Ich schubse den Wagen unwirsch zur Seite. Das Kind beginnt zu weinen. Erst blöd im Weg rumstehen, und dann auch noch schreien, denke ich und eile ungerührt weiter. Irgendwann komme ich endlich zur Kasse. Meine Familie steht immer noch ziemlich weit hinten in der Schlange. Die nächste Viertelstunde kann ich erst mal verschnaufen.

Was mich ärgert: Hier werden Kunden auf lange Umwege geschickt, nur damit sie bei bestimmten Produkten vorbeikommen und diese dann kaufen. Und was mich besonders ärgert: Es hat funktioniert. Hätten wir sonst die dumme Schreibtischauflage gesehen und gekauft?

Nachtrag: Heute im Kaufhaus. Selbes Spiel andere Variante. Die Rolltreppen sind mal wieder so angeordnet, dass ich erst um das ganze Treppenhaus herumlaufen muss, bevor ich zur nächsten Rolltreppe komme, die mich ein Stockwerk höher bringt. Ich nenne das immer die »Schikaneschleife«. Allerdings muss ich zugeben, dass diese Schikaneschleifen auch so ihre Vorteile haben. In Kaufhäusern und Bekleidungsgeschäften liegen die Abteilungen für Herrenbekleidung fast immer ganz oben. Herren kaufen weniger als Damen, also verbannt man die Herrenabteilung ins letzte Eck. Damit kaufen die Herren dann noch weniger. Jedenfalls liegen die Abteilungen für Herrenbekleidung fast immer oberhalb der Abteilungen für Damenbekleidung. Folge: Für Männer führen die Schikaneschleifen dann mitten durch die Damenbekleidung. Interessanterweise führt der Weg dabei nur selten an langweiligen Pullovern oder Mänteln vorbei, sondern fast immer mitten durch die Abteilung für Damenunterwäsche. Vorbei an knackig nackigen Schaufensterpuppen mit halbtransparenten Slips und BHs. Ich muss gestehen: Schon seit früher Jugend fand ich die Schikaneschleifen hier gar nicht so übel. Ich wunderte mich nur immer, warum meine Mutter hier immer so zur Eile trieb und mich mit einem Wortschwall unnützen Zeugs zumüllte. Später dann, als ich auch mal alleine unterwegs war, konnte ich hier erste Sichtstudien durchführen, wie man(n) einen solchen BH denn wohl am besten öffnet. Sicher war in dieser Zeit auch die eine oder andere überflüssige Rolltreppenfahrt dabei.

 

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