Darf ich Ihr Zimmer saugen? – Über die Tricks eines Staubsaugervertreters

Zu beobachten, wie Staubsaugervertreter vorgehen, um uns ihre teuren Geräte zu verkaufen, ist nicht nur interessant, sondern auch amüsant …

Es gibt wenige Produkte, die ich so uneingeschränkt weiterempfehlen würde, wie unseren Staubsauger. Nein, der Sauger ist keines dieser sündhaft teuren Teile, die man an der Haustür kauft, sondern er stammt aus einem ganz normalen Elektromarkt. Er braucht keine Staubbeutel und ist auch für Allergiker wie mich ein Genuss – na ja, so weit Putzen eben ein Genuss sein kann – also gut, kein Genuss. Aber immerhin praktisch bis ins Detail und mit einer Saugkraft, dass jeder Milbe schwindelig wird.

Ich bin gerade bei meiner Mutter zu Besuch, sitze im Wohnzimmer und repariere die Stereoanlage, als es klingelt. »Oh, das ist bestimmt der Herr von Sowieso«, meint meine Mutter und öffnet die Tür.

Hier sei er wieder zum kostenlosen Service-Check ihres Staubsaugers, begrüßt sie der Mann. Ob denn alles in Ordnung wäre. Ja, aber die Saugkraft ihres Geräts habe vielleicht ein wenig nachgelassen, meint meine Mutter. Ob er nicht mal hineinkommen wolle. Klar will er.

Während ich geschäftig an der Stereoanlage herumfummele, kann ich wunderbar dem Gespräch lauschen, ohne selbst allzu sehr in Erscheinung zu treten. Bisher habe ich bei mir zuhause alle Vertreter dieser Zunft immer schon an der Türschwelle abgewimmelt, umso interessanter finde es jetzt, einmal live als Zaungast dabei zu sein.

Nach etwas einleitendem Smalltalk verkauft der Mann meiner Mutter als Erstes eine Portion Verbrauchsmaterial: Staubsaugerbeutel und Filter. Gut, das brauchte meine Mutter auch, deshalb hatte sie dem Terminvorschlag letztlich zugestimmt. Von Verbrauchsmaterial allein kann ein Staubsaugervertreter allerdings nicht leben, deshalb beginnt jetzt Phase II: Bedarf schaffen, um entweder teure Ersatz- oder Zubehörteile zu verkaufen, oder noch besser ein neues Gerät.

Jetzt wolle er sich das Problem mit der Saugkraft einmal ansehen. Welches Problem eigentlich? Eigentlich hatte meine Mutter nur von »vielleicht« und »ein wenig« gesprochen. Aber O. K. Er schaltet das Gerät ein. »Oh ja, da stimmt etwas nicht«, meint er. »Die Bürste ist undicht. Sehen Sie hier? Da ist etwas angebrochen und der Schlauch sitzt nicht mehr ganz fest. Hier zieht Luft rein.« Ob es dafür ein Ersatzteil gäbe, fragt jetzt meine Mutter. Selbstverständlich, aber das müsse er erst bestellen. Er wisse aber nicht, ob sich das noch lohne. Was es denn koste, will meine Mutter wissen. Der Preis, den der Mann dann nennt, entspricht so ungefähr dem kompletten Anschaffungspreis meines (ebenfalls nicht billigen) Saugers, mit dem ich so außerordentlich zufrieden bin. Einige Hundert Euro – nur für die Ersatzbürste. Spätestens ab jetzt konzentriere ich mich voll auf das Gespräch und hantiere nur noch pro forma an der Stereoanlage weiter. Meine Mutter verharrt erst einmal in Schockstarre. Der Vertreter schweigt und lässt den Schock wirken. Jetzt kann Phase III beginnen.

Der Mann fährt fort: »Ihr Gerät hat inzwischen ja schon einige Jahre auf dem Buckel. Unser neues Modell saugt inzwischen noch besser. Aber vor allen Dingen ist es auch viel leichter. Wir werden ja alle nicht jünger. Was glauben Sie, wie froh ich bin, dass ich heute nicht mehr so schleppen muss wie früher.« Jetzt hat er meine Mutter wieder bei sich. Dieser vermeintliche Schulterschluss scheint zu sitzen. »Ihre Arbeit ist bestimmt anstrengend«, meint sie denn auch prompt mitleidsvoll. »Ja, aber das ist schließlich meine Aufgabe. Ich möchte ja, dass meine Kunden zufrieden sind. Wissen Sie was? Ich gehe jetzt mal schnell nach unten zum Auto und hole das neue Modell – und dann zeige ich Ihnen mal den Unterschied.« »Dann müssen Sie ja schon wieder Treppen laufen und schleppen.« »Mache ich doch gerne.«

Der Mann versteht sein Handwerk, denke ich bewundernd. Jetzt hat er meiner Mutter nicht nur bereits den neuen Sauger schmackhaft gemacht, bevor sie ihn überhaupt gesehen hat. Er hat es auch noch geschafft, dass sie sich in seiner Schuld fühlt. Schließlich holt er jetzt extra für Sie noch den neuen Sauger. Er hätte ihn auch gleich mitbringen können, aber dieser zusätzliche Weg ist sicherlich Teil des Programms.

Ich nutze die kurze Abwesenheit des Mannes, um einen Blick auf die angeblich defekte Bürste zu werfen. Von einem Bruch kann ich nichts sehen, aber der Schlauch hat im unteren Bereich tatsächlich einige wahrscheinlich nicht mehr ganz dichte Stellen. Schon hören wir Schritte und ein Schnaufen. Er kommt zurück. »Die Bürste kann ich reparieren. Kauf heute nichts! Lass dir höchstens ein Angebot geben«, instruiere ich noch schnell meine Mutter. Einen ganz schönen Kommandoton habe ich da drauf, denke ich etwas peinlich berührt. Ach was. Das musste sein, beruhige ich mich. Ist ja für einen guten Zweck.

»So, darf ich mal Ihr Zimmer saugen?«, begrüßt uns der zurückkehrende Mann. Im Handumdrehen ist sein Sauger startklar und er legt los. Er saugt hier, saugt da, unter dem Tisch, unter dem Sofa, als ob er gar nicht mehr aufhören könne. »So, und jetzt wollen wir mal sehen, wie gut Ihr alter Sauger noch gesaugt hat.« Er zieht ein farbiges Tuch aus seinem Sauger, das er dort eigens als Schmutzfänger eingebaut hatte. Das Tuch ist mit reichlich Staub bedeckt. »Hätten Sie das gedacht?«, wendet er sich an meine Mutter. Diese ist sichtlich peinlich berührt. »Nein! Ich sauge hier täglich!«, verteidigt sie ihren Ruf als gründliche Hausfrau. »Sehen Sie. Mit einer defekten Bürste bleibt eben immer noch etwas zurück«, rettet der Vertreter ihre Ehre. »Aber selbst wenn Ihre Bürste noch in Ordnung wäre, würde das neue Modell noch mehr Staub aus dem Teppich holen.«

Die Masche mit dem Tuch ist gut. Kein Saugvorgang ist perfekt. Jede Wette: Wenn er wieder saugen würde, würde er nochmals die gleiche Menge herausholen – mit seinem Sauger, aber mit meinem Sauger von zuhause sicherlich auch. Hinzu kommt: Auf dem Tuch wirkt der Staub ungleich eindrucksvoller als im Beutel – sogar in kleinsten Mengen.

Er fährt fort: »Also, ich würde mir das überlegen, bevor ich jetzt für das alte Gerät noch Geld in eine neue Bürste investiere. Mit dem neuen Modell tun Sie sich viel leichter.« Schweigen. »Was kostet denn der Sauger?«, fragt meine Mutter schließlich vorsichtig. »Also mit dem neuen Modell liegen wir bei rund zwölfhundertvierzig Euro.« Warum sagt er nicht gleich eintausendzweihundertvierzig, denke ich. Wow. Dafür bekomme ich dreieinhalb meiner Lieblingssauger. Wieder herrscht Schweigen. »Also, das muss ich mir erst mal überlegen«, antwortet meine Mutter schließlich. Brav so! Der Vertreter reagiert schnell: »Ich kann Ihnen aber auch ein Vorführgerät eines Kollegen anbieten, das wurde kaum genutzt und wäre um 200 Euro günstiger. Mit voller Garantie. Allerdings habe ich dafür schon Interessenten, aber wenn Sie sich kurzfristig entscheiden, wäre das kein Problem.« Ich blicke mit strengem (sehr strengem) Blick zu meiner Mutter. Anscheinend mit Erfolg. »Also, ich überlege mir das noch. Mein Sohn hat versprochen, mir die Bürste zu reparieren. Vielleicht hält der alte Sauger ja noch ein wenig.«

»Gerne«, meint der Vertreter. Denken tut er jetzt sicherlich etwas anderes. Oder nicht? Er verabschiedet sich mit einem seltsamen Lächeln zu mir hinüber: »In einem Jahr bin ich ja sowieso wieder zum Kundendienst hier.«

Nachtrag: Wir haben dann den fast vollen Staubbeutel durch einen leeren ersetzt und den Schlauch mit einem guten Reparaturklebeband verstärkt und abgedichtet, schon war die alte Leistung wieder hergestellt – meint zumindest meine Mutter. Mir kommt das Lüftchen ehrlich gesagt etwas lau vor, da bin ich von meinem viel billigeren Sauger etwas ganz anderes gewohnt.

Ein Umzug in einen anderen Stadtteil hat meine Mutter vor dem erneuten Besuch des Vertreters bewahrt. Unsere Reparatur hält nach inzwischen rund 3 bis 4 Jahren noch immer.

Nachtrag 2: Sie haben gemerkt: Von dem Verkauf über Vertreter halte ich nicht besonders viel. Jetzt schulde ich Ihnen noch eine Begründung, warum:

  • Als Kunde fehlt mir jede Vergleichsmöglichkeit. Ich kann weder das Produkt mit Konkurrenzprodukten vergleichen noch die Preise mit denen von Wettbewerbern. Viele der Staubsaugerkunden kennen gar keine anderen Modelle und haben überhaupt keine Basis, um das Preisleistungsverhältnis einschätzen zu können.
  • Ich frage mich einfach, ob es einen Grund hat, dass der Anbieter seine Produkte nicht im Laden neben die der Konkurrenz stellen kann oder möchte.
  • Ich bin zu geizig, die Vertreter über meine Käufe mit zu bezahlen. An einem Staubsauger für 1.240 Euro verdient allein der Vertreter so viel, wie ich im Geschäft für einen guten Sauger bezahlen würde. Muss er auch, sonst könnte der Vertreter gar nicht von seinem Beruf leben.

 

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