Die Kunst der Hervorhebung – Über Zutatenlisten auf Verpackungen

Durch ein paar kleine Tricks werden manchmal bestimmte Zutaten auf einer Verpackung hervorgehoben. Das kann unseren Gesamteindruck entscheidend verändern …

Das Badezimmer ist einmal wieder auf unabsehbare Zeit von meinem pubertierenden Sohn belegt. Bis die Zahnspangen geputzt, alle Haarsträhnchen gestylt und die Luft mit Deospray gesättigt sind – das kann dauern.

Also bleibe ich noch ein wenig am Frühstückstisch sitzen, aber statt mich zu entspannen, suchen meine Augen krampfhaft eine Beschäftigung. Die finden sie schließlich auf meiner Müsli-Packung. »Zutaten«, steht da, gefolgt von einer ziemlich langen Liste. Meine Augen überfliegen die Liste: Hafer, Milch, Joghurt, Milchzucker, Weizen, Gerste. O. K., nichts Spektakuläres – Müsli halt.

Also mein Sohn braucht heute aber lange! Wieder finden meine Augen nichts Besseres als die Liste auf der Müsli-Schachtel. Diesmal lese ich aber nicht mehr, sondern glotze die Liste nur noch gedankenverloren an. Erst jetzt fällt mir auf, dass einige Wörter in der Liste unterstrichen sind. Ist das schlau! Langsam kommt mein Hirn in die Gänge. Da sind genau die Zutaten unterstrichen, die ich beim Überfliegen gelesen habe! Wie eine Marionette habe ich mich beim schnellen Überfliegen durch die Unterstreichungen leiten lassen.

Jetzt will ich auch wissen, was ich beim ersten Mal nicht gelesen hatte. Also studiere ich die Liste ein zweites Mal. Oha, da steht plötzlich auch etwas von »Zucker«, »Fettüberzug«, »Fettglasur«, »Palmöl«, »Emulgator«, »Salz«, »Malzextrakt«, »Säureregulator«, »Sonnenblumenöl«, »Weizenkleber«, »Getreide-Extrudat«, »Backtriebmittel« und »Aroma«. Klingt gleich irgendwie anders.

Verflixt, wird denn heute das Bad gar nicht mehr frei? Ich stelle die Müslipackung wieder hin und fummele an den nächsten Gegenständen auf dem Tisch herum. Jetzt habe ich den Brotaufstrich meines Sohns in der Hand. Nennt sich »Milch-Schoko-Creme«. Hier sind die vermeintlich »gesunden« Zutaten nicht unterstrichen, sondern fett gedruckt. Das ist weniger plump als die Unterstreichungen, wirkt aber genauso. Clever gemacht ist auch, dass hier eine weiße Schrift verwendet wird und keine schwarze Schrift. Die weiße Farbe unterstreicht das Thema »Milch«, genau wie das große gezeichnete Gesicht einer lächelnden Kuh unmittelbar über der Zutatenliste. Die List(e) beginnt mit den Hauptzutaten Zucker, Rapsöl und Palmöl. Dann folgen Vollmilchpulver mit gerade einmal einem Anteil von 7 Prozent, wieder etwas Fetthaltiges, nämlich Sonnenblumenöl, sowie 3 Prozent Kakaopulver (ebenfalls sehr fett). In der »Milch-Schoko-Creme« sind zusammen also gerade einmal rund 10 Prozent Milch und Schokolade. Eigentlich müsste das Zeug nicht »Milch-Schoko-Creme« heißen, sondern »Zucker-Rapsöl-Palmöl-Creme«. Ab sofort werde ich sie auch so nennen.

Oh – jetzt kommt mein Sohn endlich wieder aus dem Bad hinunter. »Möchtest du noch ein Zucker-Rapsöl-Palmöl Brötchen?«

Nachtrag: Inzwischen habe ich noch ein paar weitere beliebte Tricks zusammengetragen, wie wir beim Lesen von Verpackungen manipuliert werden.

  • »Ohne …« – Jedes Lebensmittel ist »ohne« irgendetwas. Oft sind solche Angaben, was in einem Produkt nicht enthalten ist, vollkommen unsinnig und dienen nur dem schönen Klang. Überspitzt könnte zum Beispiel groß auf einer Wasserflasche stehen »Ohne Zucker, ohne Konservierungsstoffe«. Wasser halt …
  • »Aus Vertragsanbau« – Der Hersteller hat also einen Vertrag mit seinem Lieferanten. Wow!
  • »Aus kontrolliertem Anbau« – Der Anbau wird also kontrolliert. Aha. Und auf was? Und von wem? Und wie oft? Und was kommt dabei heraus?
  • »Klinisch getestet« – Und? Ergebnis?
  • »Jetzt noch besser«, »verbesserte Formel«, »das beste …, das es je gab« – Mein Favorit. Rein logisch betrachtet bedeutet die darin enthaltene Aussage nichts anderes als: »Bisher war unser Produkt noch verbesserungsfähig«. Was wird wohl in zwei Jahren auf der Verpackung stehen?

 

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