Das falsche Sprichwort – Über eine rhetorische Superwaffe

Sich verbal nur mit Worten zur Wehr zu setzen, kann ganz einfach sein und zudem noch richtig Spaß machen. Zum Beispiel mit dem Rhetorik-Trick des falschen Sprichworts …

An so einem schönen Frühlingssonntag wie heute muss man einfach etwas unternehmen. Mein Sohn ist für einen Besuch im Zoo. Also gut. Wir sind früh dran, es gibt noch genügend freie Parkplätze. Neben uns parkt eine junge Mutter mit drei Kindern. Sie ist dabei, einen Kinderwagen zu beladen wie früher im Wilden Westen die Siedler ihre Planwagen: Klamotten, Getränke, Plastikdosen, Süßigkeiten, Spielsachen, Windeln, und und und. Den Kinderwagen hat sie auf einem freien Parkplatz neben sich abgestellt, also parken wir einen Platz weiter.

Wir sind kaum ausgestiegen, als es ungeduldig hinter uns hupt. Ein älterer Mann möchte seine Luxuskarosse just in die Parklücke neben uns manövrieren und bedeutet der jungen Frau wild gestikulierend, sie möge doch Ihren Kinderwagen wegfahren und ihre Kinder vom Parkplatz wegbeordern. Die Frau zeigt sich davon reichlich unbeeindruckt und deutet nur kurz auf die anderen freien Parklücken. Aber anscheinend muss es für den Mann genau dieser eine Parkplatz sein, und das sofort. Wieder hupt er ungeduldig und ruft aus dem Fenster, ob sie nicht endlich einmal den Kinderwagen wegfahren kann.

Es entsteht ein kurzes Wortgefecht, aber die Frau scheint jetzt mit dem Packen fertig zu sein. »Kennen Sie das chinesische Sprichwort ›Der Adler fliegt höher als der Spatz?‹«, fragt sie den Mann. »Nein«, entgegnet dieser unwirsch. »Ich verstehe auch nicht, was das mit dem Parkplatz zu tun hat.« »Na, da denken Sie jetzt mal drüber nach!«, entgegnet die Frau, nimmt Ihren Kinderwagen in die linke und die Kinder an die rechte Hand und lässt den verdutzten Mann einfach mit seinem Auto stehen.

Auch wir gehen jetzt in Richtung Eingang und kommen in der Schlange an der Kasse unmittelbar hinter der Frau mit ihren Kindern zu stehen. Wir müssen beide grinsen, als sich der Mann mit seiner Frau wenige Minuten später demonstrativ an einer anderen Kasse anstellt – möglichst weit entfernt. »Ehrlich gesagt habe ich das mit dem Adler auch nicht so ganz verstanden«, sage ich »Aber es hat offenbar gesessen.«

»Ach das.« Die Frau lacht. »Da gibt es auch nichts zu verstehen. Das war einfach nur so dahergesagt. Hab ich mal in einem Rhetorik-Kurs gelernt. Nennt sich ›das falsche Sprichwort‹. Einfach etwas Dummes erfinden und den Angreifer damit stehen lassen. Und falls er fragt, was das soll, einfach kontern, dass er da mal schön selbst darüber nachdenken soll.«

Diesen Trick werde ich mir merken!

Nachtrag: Schande über mich! Je länger man lebt, desto mehr Gründe entstehen, sich zu schämen. Einer unserer Nachbarn kann es nicht vertragen, wenn ich mein Auto auf der Straße vor seinem Haus parke. Heute habe ich das absichtlich getan. Ich musste den Trick mit dem falschen Sprichwort einfach endlich einmal ausprobieren. Nein, nett war das nicht – aber gut! Jedenfalls kam er prompt aus seinem Haus geschossen und belegte mich mit diversen Schimpfworten. Ich meinte dann nur »Wenn eine Taube fliegt, sitzt sie nicht am Boden«, da solle er mal darüber nachdenken. Ich glaube, er grübelt noch immer über den Sinn dieses alten chinesischen Sprichworts. Oder war es ein ägyptisches?

 

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