Immer in Aktion – Über den Kauf einer Matratze

Matratzengeschäfte haben scheinbar immer Sonderangebote mit großzügigen Rabatten. Doch der Schein trügt. Hier können wir üblen Verkaufstricks auf den Leim gehen …

Beim Frühstück hat meine Frau heute wieder den Blick, der nichts Gutes verheißt. Statt zu schweigen, mache ich den Fehler sie zu fragen, ob es ihr gut gehe. Nein, es gehe ihr nicht gut. Ob ich das nicht sähe. Doch, deshalb würde ich sie ja fragen. Vom Fragen gehe es ihr auch nicht besser. Sie habe schon vor Monaten gesagt, sie brauche eine neue Matratze, aber ich hätte das einfach ignoriert. Und jetzt habe sie Rückenschmerzen. Das komme jetzt davon. Und noch heute gingen wir eine neue Matratze kaufen.

Na gut. Diskutieren wäre zwecklos. Also stehen wir kurze Zeit später in einem Matratzenladen an einer großen Ausfallstraße. Diese Läden sind immer dort angesiedelt, wo täglich möglichst viele Menschen vorbeikommen. Auf diese Weise werden sie gesehen, und wenn man alle paar Jahre eine Matratze braucht, erinnert man sich an den Laden. Hat bei uns schließlich auch prima funktioniert.

Von außen ist nicht viel zu sehen. Die Fenster sind nahezu vollständig von großen Papptafeln bedeckt. »Räumung«, »Sale«, »Prozente« steht in großen roten Buchstaben darauf. Vor dem Eingang hängt ein dickes Bündel Luftballons. Da haben wir richtig Glück, denke ich. Vielleicht wird es gar nicht so teuer und wir erwischen ein günstiges Angebot. Aber da hatte ich die Rechnung ohne den Verkäufer und ohne meine Frau gemacht.

Meine Eingangsfrage nach den (angeblich) ermäßigten Matratzen kontert der Verkäufer sofort mit dem Eingeständnis, dass diese Matratzen nicht geeignet seien, wenn man schon vorher Rückenprobleme habe. Aha. Diese Matratzen dienen also offenkundig nur dazu, die Kunden in den Laden zu locken und verursachen dann selbst Probleme. Schön! Er könne aber jene Matratze sehr empfehlen, meint der Verkäufer. Bevor von uns jemand etwas sagen kann, zieht er eine Matratze aus einem Stapel und legt sie auf ein Bettgestell. Wir sollen mal probieren. Jetzt können wir schlecht Nein sagen und in der Tat ist die Matratze sehr bequem. Was sie denn koste, möchte ich wissen. Also, das sei eben ein Qualitätsprodukt – aber diese Woche im Angebot. Diese Woche (wir haben bereits Samstag) sei sie 100 Euro billiger also normal. Wenn er meine Frau gekannt hätte, hätte er sich diesen öden Verkaufstrick auch sparen können. Schließlich brauchen wir die Matratze HEUTE. Sonst droht Ungemach. Da muss er gar keinen Druck mehr machen.

Der Preis, den er dann nennt, haut mich dann doch von den Socken. Rund das Fünffache der auf den Plakaten im Fenster beworbenen Matratzen. Ob er auch noch etwas Günstigeres habe, will ich wissen. Natürlich. Jetzt kramt er ein paar weitere Matratzen hervor und lässt sie uns probieren. Natürlich kommen diese bei Weitem nicht an die Qualität der ersten Matratze heran, sind aber nicht viel billiger. Klar: Wir sollen uns auch für das teure Modell entscheiden. Wahrscheinlich zeigt er uns jetzt absichtlich unbequeme.

Es kommt, wie es kommen musste. Am Ende nehmen wir das Stück zum königlichen Preis. Soll schließlich auch meine Königin darauf schlafen. Einen direkten Preisvergleich mit anderen Geschäften oder im Internet können wir uns ohnehin sparen, denn die Hersteller und Händler unterbinden das geschickt gleich im Keim: Für jede Handelskette werden die Matratzen von den Herstellern unter anderen Namen geliefert. Wir Kunden können dann die Preise nicht mehr direkt vergleichen. Das wird schließlich noch kombiniert mit vollkommen utopischen »unverbindlichen Preisempfehlungen«, auf die die Händler dann schöne »Rabatte« geben können.

Um einige Hundert Euro leichter aber mit einer umso schwereren Matratze verlassen wir schließlich das Geschäft. Jetzt noch das Teil aufs Autodach wuchten, festzurren und zuhause ins Schlafzimmer schleppen, dann können wir weitermachen, wo der Tag begonnen hatte. Die Matratze ist gut, aber ich habe den schweren Verdacht, ein Schnäppchen war das trotz der angeblichen 100 Euro Ersparnis nicht.

Nachtrag: Ein paar Tage später komme ich mit dem Fahrrad wieder an dem Matratzengeschäft vorbei. »Lieferung gratis«, prangt jetzt in dicken Lettern ein Plakat im Fenster. Das ist nicht wahr, denke ich. Scheinbar doch. Außerdem steht da noch: »Jede Matratze zum 1/2 Preis«. Rund 30 Zentimeter groß ist die Schrift. Nein! Ich halte an.

Mein Blutdruck ist dabei, zu explodieren, aber da entdecke ich dann doch den Haken an der Sache. Ganz klein neben den Riesenbuchstaben steht das Wort »zweite«. Besonders perfide: Das Wort »zweite« ist nicht normal geschrieben, sondern steht hochkant. Damit ist es auf den ersten Blick kaum als Text zu erkennen, geschweige denn lesbar.

Wenn ich nur eine Matratze kaufe, bekomme ich also gar nichts billiger, und wenn ich zwei Matratzen kaufe, bringt es mir im besten Fall 25% Gesamtersparnis (wenn beide Matratzen gleich teuer sind). In keinem Fall aber 50%, was durch die Zahl ½ suggeriert wird. Schlau gemacht. Für so dumme Kunden wie uns halt.

Nachtrag 2: Wieder zwei Wochen später führt mich der Weg abermals an dem Laden vorbei. Noch immer hängen die Luftballons vor der Tür. Diesmal stehen in den Fenstern große Plakate mit auffällig gelbem Hintergrund und orangeroter Schrift in Großbuchstaben: »ALLES -25% *«. Ich bleibe wieder stehen. Diesmal ist die Fußnote noch kleiner als beim letzten Mal, aber immerhin horizontal angeordnet und damit ohne Drehen des Kopfes lesbar. »Ausgenommen Aktionsware und Hausmarken«, steht dort. Aha. Für einen Großteil der Waren gilt das Angebot also wieder nicht. Und auf den Rest sind die 25% vermutlich vorher bereits aufgeschlagen worden. Aber wenn die Kunden erst mal im Laden stehen, dann kaufen sie trotzdem – das kennen wir ja selbst …

Nachtrag 3: Nochmals eine Woche später. Im Fenster hängen wieder neue Schilder: »Alles -50% -30% -20%«. Irgendwelche Ausnahmen sind diesmal nicht zu erkennen. Alle Achtung. Ärgerlich nur für die, die letzte Woche gekauft haben. Oder vorletzte Woche. Oder vorvorletzte Woche. Oder für uns. Aber de facto sind es natürlich real 20 Prozent und fast nie die vornewegstehenden 30 oder gar 50 Prozent. Ein Blick auf die Website des Unternehmens verrät mir dann Näheres: 20% gibt es dann tatsächlich auf alles, 30% aber nur auf eine bestimmte Produktlinie und die 50% gar nur auf einen (!) ganz bestimmten Rahmen (Lattenrost). Spaßeshalber vergleiche ich einmal den Preis dieses um 50% »reduzierten« Rahmen mit Angeboten der Wettbewerber. Ergebnis: Es ist zwar ein günstiger Preis, aber er ist ganz bestimmt nicht um 50% niedriger als in anderen Geschäften. Aber eine Sache ärgert mich: Wenn jetzt 20% Preisnachlass drin sind, hätten wir das sicher auch verhandeln können. Na ja, beim nächsten Mal dann …

Nachtrag 4: Wieder zwei Wochen später. Noch immer dieselbe »Aktion« im Fenster. Noch immer »Sale«. Die Plakate in den Fenstern der Südseite verlieren bereits langsam ihre Farbe. Das Gelb verblasst, das Rot driftet langsam in Richtung Orange. Der Klebstoff an den Ecken beginnt, sich zu lösen. Die Ecken wölben sich. Aber außen ist ein neues Bündel Luftballons hinzugekommen.

Nachtrag 5: Wieder drei Wochen später. Die durchgelegene Matratze in unserer kroatischen Ferienwohnung erinnert mich an unser gutes, heimisches Matratzengeschäft. Welche »Aktionen« es dort wohl gerade wieder gibt? Ich kann nicht anders als mein Smartphone zu nehmen und einmal auf die Website des Unternehmens zu schauen. »Aktion«, »Tiefpreis« und »Sale« sind denn auch prompt die ersten Worte, die angesichts der trägen Internetverbindung nur langsam auf meinem Display erscheinen. Dann taucht gleich zweimal ein großes »GRATIS« auf. Einmal sei die Lieferung gratis, dann der zweite Rahmen, so denn man einen solchen braucht. Kennen wir alles schon. Wie es jetzt den Luftballons wohl geht? Das Wetter soll ziemlich kalt und windig sein in Deutschland. Ach, wie schön ist doch meine durchgelegene Matratze hier!

Ich frage mich: Warum funktioniert das mit den (angeblichen) Rabatten offenbar gerade bei Möbeln und Matratzen so gut? Ich vermute deshalb, weil wir diese Dinge nur selten kaufen und uns sonst nicht die Bohne dafür interessieren. Wenn wir dann einmal etwas aus diesem Bereich brauchen, lassen wir uns von der »Aktion«, die dort gerade läuft, täuschen. Wir denken, das wäre zufällig eine besonders günstige Gelegenheit und die Falle schnappt zu.

Nachtrag 6: Ein Jahr später. Es läuft gerade die Wiederholung des Vorjahres. Anscheinend ist das Programm jedes Jahr dasselbe.

Nachtrag 7: Nein, doch nicht. Dieses Jahr gibt es eine Zugabe. Im Briefkasten liegt heute eine Postkarte mit dem Angebot: »30% Personal-Rabatt«. Also Leute: Dass Ihr mich inzwischen schon zum Personal zählt, ehrt mich wirklich.

 

Hat Ihnen dieses Kapitel gefallen? Dann bestellen Sie sich am besten gleich das Taschenbuch oder E-Book. Zum Selbstlesen oder als Geschenk!

Noch unschlüssig?
Hier finden Sie eine Liste aller Themen.

 

Zum Verschenken oder zum
Selbstlesen:

Das E-Book oder das
Taschenbuch.

Hier direkt bestellen