Eine Bürste fürs Leben – Über kleine Dinge und wahren Reichtum

Oft genügen im Leben auch die einfachen und kleinen Dinge. Manchmal werden gerade sie uns fast unersetzlich …

Irgendwie wirkt meine Haarbürste heute Morgen dunkler als sonst. Ich sehe genauer hin: Haare. Viele Haare. Sehr viele Haare. Längere Haare als meine eigenen Haare. Da stimmt etwas nicht! Wie kommen diese Haare in meine Haarbürste?

Mit meiner Haarbürste verbindet mich seit vielen Jahren ein besonderes Verhältnis. Eine tiefe Freundschaft und eine innige Verbundenheit. Vor langer Zeit gehörte diese Bürste einmal meiner Schwester. Bis zu dem Tag, als ich sie aus dem Abfalleimer rettete (die Bürste, nicht die Schwester). Meine Schwester empfand die Bürste damals als Fehlkauf. Fehler eins: Meine Mutter hatte die Bürste gekauft. Fehler zwei: Die Bürste war blau. Fehler drei: Die Bürste war aus Plastik. Fehler vier: Die Bürste hatte nur eine Mark gekostet. Für mich pubertierenden Jugendlichen aber war die Bürste Gold wert. Ich konnte damit in Kombination mit heimlich gekauftem Haargel (ersatzweise mit Zahnpasta oder mit Hautcreme meiner Mutter) meine Haare in die gewünschte Form bringen, in der Hoffnung, so beim weiblichen Geschlecht Pluspunkte zu sammeln.

Das war vor fast 30 Jahren. Aber noch immer beginnt jeder Tag mit den Streicheleinheiten dieser Haarbürste. Meiner Bürste etwas anzutun, ist also keine besonders gute Idee. Während des Frühstücks stelle ich meine Familie zur Rede. Nach anfänglich betretenem Schweigen stammelt mein Sohn schließlich etwas von »vielleicht«, »manchmal« und »ganz kurz«. Aha! »Und warum nimmst du nicht Deine eigene neue Bürste, die wir zusammen gekauft haben?«, will ich wissen. »Weil die nicht so gut ist.«

Ich mache meinem Sohn unmissverständlich klar, dass es zwar stimmt, dass diese Plastikbürste, die vor dreißig Jahren einmal eine Mark gekostet hat, noch immer die beste Bürste der Welt ist, dass sie nun dummerweise aber einmal mir gehört. »Ich geh dann mal ins Bad«, ist die wenig konkrete Antwort. Lass dich nur nicht mehr erwischen!

Ich hänge noch einen Moment meinen Gedanken nach: Irgendwie ist meine alte Bürste für mich zu einem Symbol innerer Genügsamkeit geworden. Ich brauche einfach keine andere Bürste. Wie wäre es wohl, häufiger einmal genügsamer zu sein? Ich würde so viel Geld sparen, dass ich weniger arbeiten müsste. Dann wäre ich im Hinblick auf »Zeit« plötzlich unheimlich reich. Mir schwant, da sollte ich einmal intensiver darüber nachdenken, denn im Hinblick auf »Zeit« nage ich doch oft am Hungertuch.

Nachtrag: Inzwischen ist über ein Jahr vergangen. Ich habe noch immer nicht darüber nachgedacht. Keine Zeit. Musste arbeiten …

 

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