Verführt – Über kleine Entscheidungshilfen

Manchmal sollen kleine Gratis-Zugaben unsere Entscheidung zum Kauf eines bestimmten Produkts beeinflussen. Dies kann ungeahnte Folgen haben …

Ich muss ein spätes Geständnis machen. Es ist schon lange verjährt, aber es hindert mich noch heute daran, guten Gewissens zu behaupten, ich hätte noch nie etwas gestohlen.

Ich bin fünf Jahre alt und stehe in der Umkleidekabine eines großen Bekleidungsgeschäfts. Ich muss Hosen anprobieren. Ich hasse das und finde es überflüssig. Ich habe mich ohnehin schon entschieden. Bei einer der Hosen hängt nämlich an der vorderen Gürtellasche ein kleiner Schlüsselanhänger mit einem schwarzen Pferdchen aus Plastik. Diese Hose will ich. Keine andere. Ob sie passt, ist mir ziemlich egal. Die Vermarktungsstrategie des Herstellers geht auf.

Ich probiere die Hose mit dem Pferdchen als Erste. »Und wie passt die Hose?« Meine Mutter zieht den Vorhang auf, noch bevor ich die Hose richtig hochgezogen habe. Meine Blicke hängen noch ganz verliebt an dem Pferdchen. »Gut«, antworte ich. »Nein, die ist zu kurz. Außerdem zu teuer«, entscheidet meine Mutter. Mist! »Probier mal die Nächste.« Ich will aber doch unbedingt das Pferdchen. Und jetzt passiert’s: Schnell löse ich den Anhänger und befestige ihn an der nächsten Hose. »Was machst du denn so lange? Brauchst du Hilfe?« Meine Mutter wird ungeduldig. »Nein.« Hastig schlüpfe ich in die zweite Hose. »Die ist gut«, entscheidet meine Mutter. Meine Meinung wird inzwischen eh nicht mehr eingeholt. »Und jetzt zieh mal noch die hier an.« Sie reicht mir eine hässliche olivgrüne Cordhose. »Die gefällt mir aber nicht«, protestiere ich. »Die probierst du jetzt trotzdem noch!« Na gut. Sie wird schon sehen, wie doof die Hose aussieht. »Die ist noch besser«, urteilt sie. »Gib mir schon mal die anderen Hosen, ich bringe sie wieder weg.« Verdammt! Mir gelingt es gerade noch, mit roher Gewalt das Pferdchen abzureißen. Der Anhänger bleibt an der Hose zurück, aber das Pferdchen halte ich in meiner Hand. Sekunden später ist es in meiner Jackentasche verschwunden. Aber ich fühle mich nicht als Täter, sondern als Opfer.

Jetzt geht es noch zu den Mädchenklamotten. Meine kleine Schwester braucht eine neue Winterjacke. Ist das langweilig! Aber ich habe ja das Pferdchen. Liebevoll streichele ich es in meiner Tasche. Wir stehen noch nicht lange vor den Mädchenjacken, da ruft meine Schwester entzückt: »Guck mal Mami, da ist ein Pferdchen dran.« Das Pferchen ist ungefähr dreimal so groß wie meines. Außerdem nicht einfarbig, sondern bunt. »Probier mal an.« Meine Mutter nimmt die Jacke vom Bügel und hilft meiner Schwester hinein. »Die steht dir gut. Die nehmen wir gleich.«

Manchmal hasse ich meine Schwester. Heute ist einer dieser Tage.

 

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