Hab ich gelesen – Über als Information getarnte Werbung

In manchen Zeitschriften merken wir kaum, wenn wir Werbung lesen. Nur das gut versteckte Wörtchen Anzeige verrät oft die werbliche Absicht eines Beitrags …

Weihnachtsferien: Besuch bei Oma. Endlich ein paar Tage ausspannen, spazieren gehen – und in die Glotze gucken, ein paar schöne Filme sehen.

»Papi, was kommt denn heute im Fernsehen?«, fragt mich mein Sohn. »Ich schaue mal nach«, sage ich, und greife nach dem TV-Magazin, das Oma wöchentlich als kostenlose Beilage zu ihrer Tageszeitung bekommt. Da ich Zeit habe, blättere ich ganz von vorne los. Auf den ersten Seiten geht es um irgendwelchen Klatsch zu den Liebschaften aus Europas Königshäusern. Ja, so etwas gefällt Oma! Ich muss grinsen. Dann folgt ein Beitrag mit dem Titel »Alarmierend – Jeder vierte Deutsche schläft schlecht«. Daneben eine Spalte über die »Heilkraft der Passionsblume«. Auf der nächsten Seite Werbeanzeigen für Treppenlifte und Badewannenlifte. O. K., die primäre Zielgruppe des Magazins ist damit klar. Noch ein paar Seiten weiter folgen Beiträge unter den Überschriften »Gereizter Darm – Ein Präparat aus der Apotheke ist besonders wirkungsvoll« sowie »Wirksame Hilfe bei sexueller Schwäche im Alter«. Das Ganze ist aufgemacht wie eine feste Rubrik und steht unter der Überschrift »Gesundheit aktuell«. Jetzt erst fällt es mir auf: Weit vom Titel abgesetzt steht bei allen(!) Beiträgen, mit Ausnahme des Klatschs aus den Königshäusern, ganz klein das Wort »Anzeige«. Auf den ersten Blick wirklich kaum zu entdecken – schon gar nicht von der Zielgruppe mit ihrer meist nachlassender Sehkraft.

Das Strickmuster der »Beiträge« ist immer gleich: Zuerst wird ganz neutral ein bekanntes Problem beschrieben. Das soll möglichst viele Leser ansprechen und in den Text ziehen. Bei der Anzeige zum Thema »Sex im Alter« zum Beispiel folgen nach den einleitenden Worten die Zwischenüberschriften »Was ist sexuelle Schwäche« und »Wie entsteht sexuelle Schwäche«. So weit, so gut. Das macht immerhin fast zwei Drittel des Texts aus. Jetzt ist auch der letzte Leser eingelullt und von der Seriosität des Gesagten überzeugt.

Nun geht’s zur Sache: »Was hilft bei sexueller Schwäche?«, lautet die nächste Zwischenüberschrift. Jetzt wird dem Leser auch noch dreist geraten, sein Glück nicht mit zweifelhaften Aphrodisiaka oder vermeintlichen Wundermitteln aus dem Internet zu versuchen, sondern mit etwas ganz Seriösem: Der (so wörtlich) »geballten Wirkkraft« einer bestimmten Pflanze in der »Konzentration D4«. Was nicht dabei steht: Mit Konzentrationsangaben dieser Art werden üblicherweise homöopathische Medikamente gekennzeichnet. D4 steht für eine Konzentration von 1:10.000 (rund zwei Tropfen pro Liter). Nun lässt sich über die Wirksamkeit oder Nicht-Wirksamkeit von homöopathischen Medikamenten lange streiten. Aber bei einer solchen Konzentration von einer »geballten Wirkkraft« zu sprechen – na ja. Wie gut, dass dann am Ende noch die Aussage folgt, dass bei dem Medikament »keine Nebenwirkungen bekannt« seien. Wie auch? Was mich aber mehr ärgert, ist die Art und Weise in der hier Werbung als redaktioneller Inhalt getarnt und damit glaubwürdig gemacht wird. Selbst wenn uns zum Zeitpunkt des Lesens bewusst sein sollte, dass das, was wir lesen, reine Werbung ist: Später einmal werden wir uns nur noch erinnern, dass wir gelesen haben, das Medikament solle gut sein. Oh mann, wie werde ich selbst nur jetzt diese Erinnerung wieder los? Wenn ich einmal älter werde, will ich nicht diese Tropfen …

»Papi, hast Du was gefunden? Was kommen denn heute für Filme?«, reißen mich die Worte meines Sohnes aus den düsteren Gedanken. »Äh – Moment, ich schau gleich.«

Nachtrag: Fernsehwerbung arbeitet übrigens ganz ähnlich. Nach dem Ansehen der Werbung wissen wir noch ganz genau, dass das, was man uns gerade erzählt hat, Werbung war. Aber in einigen Wochen und Monaten wird diese scharfe Einordnung verblassen. Irgendwann wissen wir nur noch, dass wir etwas gehört haben, aber nicht mehr, wo oder von wem. Was bleibt, ist die Erinnerung »jemand hat gesagt, das soll gut sein«. Und genau das ist es, was hängen bleiben soll.

Besonders gut funktioniert die Masche, wenn sich im Werbespot zwei Personen miteinander unterhalten, wenn wir also quasi ein Gespräch »belauschen«.

»Also Frau Nachbarin, unter uns: Seit ich die Dope-3000 Kapseln nehme, fühle ich mich viel glücklicher. Aber nicht weitersagen!«

 

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