Textanalyse – Über die Wortwahl in Produktbeschreibungen

Manche Produkte sind auf den Verpackungen dermaßen blumig beschrieben, dass das Lesen dieser Produktbeschreibungen richtig amüsant ist …

Früher habe ich den Deutschunterricht in der Schule gehasst. Textanalyse ganz besonders. Mann, war das öde! »Was hat sich der Autor beim Verfassen der Geschichte gedacht?«, lautete die Standardfrage. »Gar nix!«, hätte ich am liebsten geantwortet. »Er musste halt auch irgendwie seine Brötchen verdienen.« Aber das habe ich natürlich nicht geschrieben – stattdessen etwas gesülzt von wegen »Moral«, »Gesellschaftskritik« oder anderen hehren Zielen, die der Lehrer hören wollte.

Dreißig Jahre später habe ich endlich einen Text gefunden, in dem selbst ich eine Botschaft entdecke. Eine ziemlich eindeutige Botschaft sogar. Nein, es ist kein literarisches Meisterwerk, sondern ein eher profaner Text – auf einer Kekspackung. Man könnte sagen: moderne, zeitgenössische Gebrauchsliteratur.

Der Text lautet ungefähr wie folgt. Die wichtigen Textstellen habe ich gleich unterstrichen:

»Ein feiner Duft von frisch gebackenen Keksen liegt über dem XXX-Hof. In der XXX-Hofbäckerei wird schon seit über 30 Jahren köstliches Gebäck von bester Qualität aus ökologischen Rohstoffen hergestellt. Mit handwerklichem Geschick und viel Liebe haben unsere Bäckermeister die traditionelle Backkunst weiterentwickelt. Ausgewählte Bio-Zutaten und eine besonders schonende Verarbeitung sorgen für höchsten und vollwertigen Genuss

Was sagt der Text aus? Eigentlich nur, dass die Kekse »bio« sind. Der Rest ist im wahrsten Sinne des Wortes Stimmungsmache, die vor unserem geistigen Auge einen schönen Bauernhof inmitten einer heilen Welt entstehen lassen soll. Dann schmecken die Kekse gleich besser, aber vor allem bezahlen wir mehr dafür.

Doch jetzt im Einzelnen:

Neben diversen geschickt gewählten Substantiven ist es vor allem eine extrem große Anzahl an Adjektiven, die den Text prägen: »fein«, »frisch«, »köstlich«, »gut«, »ökologisch«, »handwerklich«, »traditionell«, »ausgewählte«, »schonend«, »höchst«, »vollwertig«. Nicht schlecht, für so einen kurzen Text! Die Adjektive sind allesamt positiv belegt, bei genauerem Hinsehen aber weitgehend substanzlos. Beispiel: »ausgewählte Zutaten«. Natürlich sind die Zutaten ausgewählt. Was denn sonst? Wie kämen sie sonst in den Teig? Auch wenn das hier keiner unterstellen will: Wenn ich bösartig wäre, könnte ich sogar minderwertige Zutaten gezielt »auswählen«.

Besonders bemerkenswert finde ich aber, wie in dem Text eine eigentlich eher negative Aussage versteckt und positiv verpackt ist. Es heißt: »Mit handwerklichem Geschick und viel Liebe haben unsere Bäckermeister die traditionelle Backkunst weiterentwickelt.« Aha. »Weiterentwickelt« also. Das heißt nichts anderes, als dass die Kekse eben gerade nicht mehr traditionell hergestellt werden.

Hausaufgabe: Suchen Sie sich auf einer Verpackung einmal einen ähnlichen Text und unterstreichen Sie alle Adjektive. Welche Aussage vermitteln diese Adjektive? Was ist demgegenüber die tatsächliche Kernaussage des Texts?

Viel Spaß!

Nachtrag: Ich habe meine Hausaufgabe schon gemacht. Hier ist der Text von einer Verpackung mit Fruchtgummis – so einer Art Gummibärchen in Fruchtform. Ziemlich lecker übrigens. Hier der Text:

»Feinste Fruchtgummi-Spezialität mit saftigem Beeren- und cremigen Pannacottageschmack. Für alle unsere XXX-Produkte verwenden wir nur erstklassige Qualitäten und die besten Zutaten. Feine Rezepturen garantieren kulinarische Köstlichkeiten. XXX – die feine Art zu genießen

Mir läuft schon das Wasser im Mund zusammen. Interpretieren müssen Sie diesmal selbst.

Nachtrag 2: Die Dinger schmecken übrigens wirklich verdammt lecker. Mein Sohn sagt: »übelst gut«.

 

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