Scheißegal – Über den Kauf eines Klositzes

Welcher Klositz taugt was? Welche Fehler sollten wir vermeiden? Mann sollte kaum glauben, wie beschissen schwierig diese Frage sein kann …

Der Klositz in unserem Badezimmer ist gebrochen. Einfach so. Wenn ich mir die Bruchstelle so ansehe, wundert mich das allerdings nicht. Das Innere des weiß überzogenen Sitzes besteht aus einer Art in Leim getränktem Altpapier. »MDF« nennt sich dieses Material beschönigend: »Mitteldichte Holzfaser«. Ein wunderbares Beispiel dafür, wie man positiv besetzte Worte (»dicht« und »Holz«) in einer Bezeichnung für etwas ganz anderes unterbringen kann.

Es sieht so aus, als sei durch einen kleinen Kratzer in der Beschichtung Feuchtigkeit in den Sitz eingedrungen, die das Material zum Quellen gebracht und geschwächt hat. Also hilft alles nichts, es muss ein neuer Klositz her. Nur diesmal aus einem besseren Material.

»Besorge ich nächste Woche«, sage ich. »Nein, den besorgst du bitte gleich.« Auf dem Wort »gleich« meiner Frau liegt so eine seltsame Betonung. Also gut. Ich fahre zum nächsten Baumarkt. Dort finde ich auch einen Sitz. Diesmal aus Duroplast. Aus meinem Studium als Verfahrenstechnik-Ingenieur kann ich mich noch erinnern: Duroplaste sind sehr haltbar, nur manchmal ein wenig spröde. Aber es wird ja niemand mit einem Hammer auf dem Sitz herumschlagen. Macht einen recht soliden Eindruck.

Zuhause zurück montiere ich den Sitz. Erst mal die Packung öffnen und die Teile entnehmen. Mit dabei: zwei Gewindestangen für die Befestigung. Leider sind deren Gewinde nicht entgratet und messerscharf. Zeitgleich schneide ich mich in den linken Daumen und linken Zeigefinger sowie in den rechten Daumen und rechten Zeigefinger. Das Blut tropft beidseitig. Mit vier Pflastern um die Finger arbeite ich schließlich weiter. Es ist nicht einfach, aber irgendwann ist der Sitz festgeschraubt. Zufrieden schließe ich ihn. Nein, das kann jetzt nicht sein! Er ist vollkommen verformt. Das war mir vorher nicht aufgefallen. Also beschließe ich, ihn zurückzugeben. Das heißt: Sitz wieder abbauen, Blutreste abwischen, einpacken und zum Baumarkt zurückfahren.

In diesem Baumarkt versucht man offenbar, seinen Kunden Reklamationen bewusst schwer zu machen. Erst muss ich an der Information anstehen. Dann schickt man mich mit einem Formular in die Sanitärabteilung, damit sich der zuständige Mitarbeiter das Problem ansehen kann. Der einzige Mitarbeiter dort ist natürlich gerade beschäftigt. Also muss ich wieder warten. Statt sich für die Ursache meines Problems zu interessieren oder sich irgendwie für die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, unterschreibt der Mitarbeiter wortlos das Formular. Ich bin sicher: Der Sitz wandert unbesehen wieder ins Regal. Mit meinem Blut dran. Jetzt muss ich zurück zur Information. Wieder warten. Dort bekomme ich eine zweite Unterschrift. Mit der kann ich zur Kasse. Wieder warten. Dann bekomme ich endlich das Geld zurück. Ihr seht mich so schnell nicht wieder!

Ich fahre weiter zum nächsten Baumarkt. Davon gibt es zum Glück in unserer Gegend genug. Ich suche wieder nach Duroplastsitzen und finde auch einen, der meinen Ansprüchen genügt. Diesmal schaue ich das Ausstellungsstück sehr penibel an. Sieht besser aus als der letzte Sitz. Ich fahre wieder heim, packe den Sitz aus und stelle fest: Der sieht irgendwie anders aus als der Sitz, den ich gerade im Laden gesehen habe. Dünner und wackliger. (Nachtrag: Später stellte sich heraus: Der im Laden ausgestellte Sitz war die ältere Variante des Sitzes. Er wurde inzwischen »verbessert«.) Jetzt kommt meine Frau herein. »Und?«, fragt sie. »Was und?«, antworte ich. »Ist alles Murks!« »Stimmt, der sieht beknackt aus«, bestätigt sie. Jetzt reicht’s! Wutentbrannt nehme ich den Sitz, packe ihn wieder ein und fahre zu Baumarkt Nummer 2 zurück. Immerhin ist dort der Kundenservice von einem anderen Stern als im ersten Baumarkt. An der Kundentheke stehen genug Mitarbeiterinnen, um längere Wartezeiten zu vermeiden. Und die sind sogar freundlich. Und sie geben mir sofort das Geld zurück. Ohne Formular, ohne Spießrutenlauf. Geht doch. Nach zwei Minuten bin ich wieder draußen. Auf zu Baumarkt Nummer 3.

Warum bin ich nicht gleich hierhin? Am Rand der Sanitärabteilung steht ein Sonderposten mit WC-Sitzen. Der Sitz ist nicht nur um 10 Euro billiger als die beiden ersten Sitze, er sieht auch noch viel besser aus. Ich habe Glück. Eine Handvoll Packungen liegen noch auf der Palette. Alles wird gut.

Zurück zuhause, packe ich den Sitz aus und zeige ihn meiner Frau. »Hübsch«, meint sie. Gott sei Dank. Wenn ihr der auch missfallen hätte – ich glaube, ich wäre ausgerastet. »Aber hast du gesehen, dass da zwei Stücke fehlen?« Waaas? Tatsächlich: Aus dem Sitz sind glatt zwei Stücke mitten herausgebrochen. Das war in der geschlossenen Packung nicht zu sehen. Tja, Duroplaste sind spröde. Hatte ich nicht gesagt, dass ich das schon in meinem Studium gelernt hatte? Wenn man das weiß, dann nimmt man eben auch nicht die Reststücke ganz unten von einer Palette, ohne zumindest einmal in die Verpackung hinein zu sehen. Wie konnte ich so dumm sein? Jetzt verliere ich endgültig die Fassung. Ich raste vollkommen aus, was bei mir wirklich selten passiert. Ich schreie, dass sich meine Frau ihren beschissenen Klositz selbst basteln soll, oder dass das dumme Klo für immer ohne Sitz bleiben wird. Mir reicht’s. Aus. Ende. Schluss.

Meine Frau merkt, dass ich es ernst meine. Einfühlsam erklärt sie sich bereit, den Sitz am Abend selbst zurückzugeben und sich dabei gleich nach einem besseren umzusehen. Im Baumarkt (3) erklärt ihr die Dame an der Information, dass sie nicht entscheiden könne, ob sie den Sitz zurücknähmen. »Da gibt es nichts zu entscheiden, der Sitz ist kaputt!«, entgegnet meine Frau. Aber es ist zwecklos. Also schickt man auch sie in die dortige Fachabteilung. Dort wartet bereits seit mehr als einer Viertelstunde eine andere Dame mit einem defekten Seifenspender. Als endlich der Verkäufer kommt, beginnt er mit der Dame eine Diskussion, wie sie den Seifenspender reparieren könne, statt ihn ganz einfach zurückzunehmen. Meine Frau muss dabei so böse geschaut haben, dass er mit ihr keine Diskussion beginnt als sie an der Reihe ist. Sie findet ein anderes Modell und kann den Sitz gegen dieses umtauschen.

»Ich habe jetzt einen Sitz aus Holz genommen«, verkündet sie stolz zuhause. Sieht tatsächlich aus wie weiß lackiertes Holz, aber mir schwant Böses. Ich nehme die Verpackung, drehe sie um und lese im Kleingedruckten: »Material: MDF«.

Sie glauben gar nicht, wie scheißegal mir das jetzt ist.

 

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