Spielzeug für Erwachsene – Über das Sparen an der falschen Stelle

Billigwerkzeuge aus Fernost sind oft schnell kaputt und teilweise sogar gefährlich. Für Hersteller, Importeure und Händler sind sie dennoch oft ein lohnendes Geschäft. Für uns Kunden weniger …

wenn Sie nach dem Lesen der Überschrift glauben, in diesem Kapitel ginge es um Sexspielzeug aus dem Erotikshop, muss ich Sie leider enttäuschen. Zurzeit stecke ich in einer ganz anderen Lebensphase.

Vor Kurzem haben wir uns ein altes Haus gekauft – mit dem enthusiastischen aber leicht naiven (meine Frau sagt schwer naiven) Plan, es innerhalb weniger Monate wieder bewohnbar zu machen. Bis jetzt sieht es in dem Haus ungefähr so aus wie im Stollen eines Bergwerks. Übernächste Woche ist Einzug. Schließlich müssen wir jeden Euro sparen und haben daher die alte Wohnung längst gekündigt. Die Nachmieter warten schon. Juhu.

Erschwerend zur Arbeit hinzu kommt noch die logistische Herausforderung. Irgendetwas fehlt immer. Diesmal ist es ein handlicher Winkelschleifer. In den umliegenden Baumärkten kenne ich mich inzwischen schon besser aus als deren eigene Mitarbeiter. Vor allem kenne ich alle Abteilungen, nicht nur eine. Da ich bei meinen Besuchen häufiger eine Jacke trage, die zufälligerweise einen breiten Streifen genau in der Firmenfarbe eines der Baumärkte hat, werde ich regelmäßig von Menschen angesprochen, die mich für einen Verkäufer halten. Ich kann nicht ohne Stolz behaupten, dass ich bisher noch immer jedem Kunden kompetent weiterhelfen konnte. Falls ich einmal meinen Job als Technischer Redakteur an den Nagel hänge, werde ich mich in diesem Baumarkt bewerben.

Eine passende Maschine ist also schnell gefunden. Da wir jeden Euro sparen müssen, fällt die Wahl auf das billigste Modell. Von den Leistungswerten her ist das vollkommen ausreichend, und gut in der Hand liegt die Maschine auch. Ob sie was taugt, bei dem Preis? Egal, hat ja 2 Jahre Garantie! Bis dahin werden wir längst im Garten im Liegestuhl liegen und zufrieden auf unser Werk blicken. (Nachtrag: Niemand saß nach zwei Jahren im Garten. Meine Frau sagte es ja: Der Plan war schwer naiv. Aber manchmal ist das auch gut so, sonst würde man vieles niemals wagen.)

Zurück auf der heimischen Baustelle erweist sich die Maschine als sehr brauchbar. Klasse Teil. Bis mir am nächsten Tag so ein seltsamer Geruch auffällt. Durch meine Feinstaubmaske kann ich ihn zunächst nicht so recht zuordnen. Das ändert sich, als ich die Flammen sehe, die aus der Maschine züngeln. Das war’s dann wohl erst mal. Wieder ein Fall für die Logistik. Zum Glück kommt meine Frau an diesem Tag ohnehin noch am Baumarkt vorbei und kann die Maschine umtauschen. Ich mache inzwischen mit anderen Arbeiten weiter. Herrscht ja kein Mangel daran.

Am nächsten Tag setzte ich meine Arbeit mit der neuen Maschine fort. Ich rechne jeden Moment damit, plötzlich wieder einen Flammenwerfer in Händen zu halten, aber nichts passiert. War wohl doch nur ein Einzelfall. Ich wusste ja gleich, dass die Maschine eigentlich was taugt. Der positive Eindruck bestätigt sich auch die nächsten Tage. Bis – ja bis mir plötzlich begleitet von einem lauten Schlag und rasselnden Geräuschen die Maschine beinahe um die Ohren fliegt. Ich kann gerade noch rechtzeitig den Stecker ziehen. Wie sich herausstellt, ist ein Teil des Getriebes gebrochen und in den Motor geraten.

Jetzt reicht’s! Ob die Maschinen alle so ein gefährlicher Schrott sind, will ich an der Reklamationstheke im Baumarkt wissen. »Bei dem Preis sind die eben nicht immer so gut«, bekomme ich als Antwort. »Was heißt da gut?«, entgegne ich. »Das Ding ist gefährlich!« »Wenn Sie möchten, können Sie auch ein anderes Modell nehmen«, bietet der Mitarbeiter an. Das tue ich dann auch. Die kostet gut das Fünffache der billigen Maschine, aber ich möchte es nicht noch einmal riskieren, das Haus in Brand zu stecken oder mit Metallsplittern im Gesicht im Krankenhaus zu landen – nach dem Motto »Sparen, koste es, was es wolle.«

Ich mache mich auf den Weg zur Kasse, um dort den Differenzbetrag zu bezahlen. Dabei komme ich an einem Sonderständer mit Kinderspielzeug vorbei. Ausrüstung für die Heimwerker von morgen. Mit dabei: ein Spielzeug-Winkelschleifer mit Elektromotor und Soundeffekt. Kostenpunkt: Sie dürfen raten – genauso viel wie meine soeben zurückgegebene Schrottmaschine.

Auf der Heimfahrt grüble ich darüber nach, wie ein Hersteller überleben kann, dessen Produkte gerade einmal wenige Arbeitsstunden überdauern und noch nicht einmal als Spielzeug taugen. Bringt diese Dinger nicht jeder nach ein paar Tagen zurück? Anscheinend nicht. Dafür kann es nur zwei Gründe geben: Entweder scheuen die Kunden den Aufwand für den vergleichsweise geringen Gegenwert. Das kann ich mir aber nicht vorstellen, denn gerade, wer ein billiges Werkzeug kauft, bei dem sitzt das Geld nicht so locker. Das Geheimnis scheint mir eher in der nur sporadischen Verwendung der Werkzeuge zu liegen. Viele Leute brauchen das Werkzeug nur kurz, z. B. bei einem Umzug. Danach liegt es lange Zeit ungenutzt im Regal. Lange genug, bis die Garantiezeit abgelaufen ist.

Seltsam ist auch, dass die Hersteller solcher Werkzeuge den Markennamen nicht regelmäßig wechseln, sondern im Gegenteil die Marken offenbar gezielt aufbauen. Vielleicht geht es hier vielen Kunden so wie mir: In jungen Jahren interessiert man sich noch nicht für die Werkzeuge, sieht aber gelegentlich die Markennamen in Prospekten oder in Geschäften. Richtet man sich seine erste eigene Wohnung ein und braucht etwas Werkzeug, begegnen einem diese Marken wieder. Man hält Sie für bekannte Marken und greift bedenkenlos zu. Macht man dann, je nach Nutzungsintensität des Werkzeugs, früher oder später eine schlechte Erfahrung, ist’s dem Hersteller egal. Er hat seinen Umsatz bereits in der Tasche. Scheint zu funktionieren.

Nachtrag: Wie ich inzwischen erfahren habe, bin ich nicht der Einzige, dem Billigmaschinen schon beinahe oder tatsächlich um die Ohren geflogen sind. Online-Bewertungsportale sind voll von entsprechenden Berichten.

Die teure Maschine hält inzwischen bereits deutlich länger als das Fünffache der beiden anderen Maschinen. Damit war sie nicht billig aber ihren Preis absolut wert – also »preiswert«. Letztlich preiswerter als die billige Maschine.

 

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